Wer in Freiburg schon einmal an einem sonnigen Tag an der Universitätsbibliothek vorbeigefahren ist, kennt das: Ein greller Lichtblitz, eine gleißende Reflexion auf der Windschutzscheibe, ein Moment des Kontrollverlusts – verursacht nicht etwa durch Wetter oder Technik, sondern durch Architektur. Die markante Glasfassade des spektakulär umgestalteten Baus wirkt bei bestimmten Sonnenständen wie ein überdimensionierter Spiegel. Was für das Auge des Architekturliebhabers glänzen mag, kann für Verkehrsteilnehmer zur ernsten Gefahr werden.
Dieses Beispiel aus dem Jahr 2015 zeigt, wie wichtig ganzheitliche Planung insbesondere im Bereich der Tageslicht- und Blendwirkung ist – nicht nur bei Freiflächen-PV-Anlagen an Autobahnen. Denn was auf dem Rendering ästhetisch und futuristisch aussieht, muss in der realen Welt mit Licht, Umwelt und Mensch interagieren. Und genau hier setzen projektvorgeschaltete Blendgutachten an.
Solche Gutachten analysieren mithilfe von Simulationsmethoden, wie sich Sonnenlicht über den Tages- und Jahresverlauf auf die Fassade auswirkt – und wie sich Reflexionen auf umliegende Räume und Verkehrsflächen verteilen. Dabei geht es nicht nur um das Sonnenlicht an sich, sondern um dessen Wechselspiel mit Glasarten, Fassadenwinkeln und der Umgebung. Die Frage ist nicht, ob etwas glänzt, sondern wie, wann, wohin – und wie stark. Diese Erkenntnisse lassen sich in der frühen Planungsphase in Gestaltung, Materialwahl oder Ausrichtung übersetzen – bevor gebaut, gestritten oder teuer nachgebessert wird. In Freiburg arbeitet man übrigens mit Vorhängen, um die – tatsächlich zeitlich sehr befristet zweimal im Jahr, jeweils etwa drei Wochen im Herbst und Frühjahr jeweils 20 Minuten – Blendungen zu vermeiden.
Gerade bei städtischen Großbauten mit exponierten Fassaden ist das Thema relevanter denn je. Unsere Städte verdichten sich, die Sichtachsen verkürzen sich, Glasflächen wachsen – und mit ihnen das Potenzial für Lichtirritationen. Ein Blendgutachten ist kein bürokratischer Hemmschuh, sondern ein Werkzeug für kluge Planung. Es schützt Verkehrsteilnehmer ebenso wie die Investition des Bauherrn – und bewahrt Planer vor dem Vorwurf, Ästhetik über Sicherheit gestellt zu haben.
Die blendende Bibliothek Freiburg ist ein Beispiel für die Folgen gut gemeinter, aber einseitiger Architekturentscheidungen. Dabei hätte ein frühzeitiger Blick durch die bauphysikalische Linse vieles erhellen können – ohne zu blenden.