Lebenszyklusanalyse als neue Fördervoraussetzung

Seit 01. März 2023 erhalten neu zu errichtende Wohn- und Nichtwohngebäude nur dann eine Förderung, wenn ein sogenanntes Life cycle assessment – LCA für das Bauvorhaben vorliegt. Worum geht es dabei?

Zur Erfüllung des Ziels, den Gebäudebestand klimaneutral zu gestalten, sind in den aktuellen Förderprogrammen für Neubauten neben den Auswirkungen durch den Gebäudebetrieb und den hierdurch entstehenden Energieverbrauch nun auch die Treibhausgasemissionen durch die Herstellung zu betrachten. Das erfolgt in einer sog. Lebenszyklusanalyse (Life cycle assessment – LCA). Diese Bilanzierung berücksichtigt die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen und Umweltwirkungen in einem Betrachtungszeitraum von 50 Jahren. Mit dem LCA können sämtliche Ressourcenverbräuche und Emissionen für den Lebenszyklus abgebildet werden. Auf diese Weise werden die Umweltqualitäten von Gebäuden in die Bewertung einbezogen und ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, Schonung natürlicher Ressourcen und zum Erhalt der Ökosysteme als natürliche Lebensgrundlage geleistet. Eine Aussage zur Schadstoffbelastung/-freiheit oder beispielsweise zur Sozialverträglichkeit des Rohstoffabbaus kann dabei nicht getroffen werden.

Die Normengrundlage

Jegliche Wohn- und Nichtwohngebäude, welche neu gebaut werden, erhalten nur dann eine Förderung, wenn ein entsprechendes LCA für das Bauvorhaben vorliegt. Normengrundlage bilden die DIN EN 15643 sowie die DIN EN 15978-1 bzw. die Module A1-3, B4, B6, C3-4 der DIN EN 15643 zzgl. Recyclingpotential D 1 und potenziell vermiedene Treibhausgasemissionen D2. Als Datengrundlage dient ausschließlich die Online-Datenbank der ÖKOBAUDAT Stand 2020_II. Betrachtet werden die Kostengruppen 300 + 400 + ggf. 500 (wenn für den Gebäudebetrieb erforderlich).

Das Vorgehen

Für Wohngebäude werden hierbei folgende Grenzwerte (gemäß QNG-Plus) vorgegeben:

  • Treibhausgasemissionen im Gebäudezyklus:  max. 24 kg/ CO2 Aqu./m²*a
  • Berechneter Primärenergiebedarf nicht erneuerbar: 96 kWh/m²*a
  • Die Bezugsfläche bildet die Nettoraumfläche nach DIN 277:2021-08.

Für Nichtwohngebäude ist für den Nachweis zunächst der spezifische, auf das Vorhaben bezogene Anforderungswert aus gebäudebezogenem und betriebs-/ nutzungsbedingtem Anteil zu ermitteln. Zentrale Ansatzpunkte sind hierbei das Material der Konstruktion, die Verbräuche während der Nutzung für die Instandhaltung und den Betrieb und der hierfür verwendete Energieträger. Eine frühe Planung und Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Parametern ist für eine Lebenszyklusanalyse unerlässlich. Sind Umweltwirkungen aus der Herstellung der Bauteile sowie dem laufenden Betrieb und die Potentiale durch Recycling am Ende der Nutzungsdauer bekannt, ermöglicht das LCA so die Realisierung eines nachhaltigen Gebäudes. Durch eine frühe Einbindung kann das LCA also als Entscheidungsgrundlage für den Bauherrn, aber auch als Werkzeug zur Optimierung im Planungsprozess dienen.

Die Umweltwirkungen der einzelnen Bauprodukte werden über den Mengenansatz abgebildet. Bauteile mit größerem Massenanteil haben somit einen größeren Einfluss auf das Ergebnis. Auch die Langlebigkeit der einzelnen Stoffe spielt eine entscheidende Rolle: Baustoffe, die etwa mehrfach während der Nutzungsdauer des Gebäudes erneuert werden müssen, gehen als Vielfaches in die Berechnung ein. Bei Sanierungen werden der teilweise Rückbau sowie die bestehende, weiterhin genutzte Konstruktion der vergangenen Nutzung zugeschrieben und gehen ohne Emissionen bzw. Energiebedarf in die Berechnung ein.

Die graue Energie (Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes aufgewendet werden muss) von Strom oder Wärme produzierenden Anlagen, die in das Strom- oder Wärmenetz einspeisen, wird nur entsprechend dem Eigenbedarf berücksichtigt.  

Bewertung

Die Erstellung einer Lebenszyklusanalyse ist aufwändig und komplex, sie erfordert spezielles Fachwissen, das in entsprechenden Weiterbildungen erworben werden muss. Klar, dass sich das spürbar in den Kosten für eine Fördermittelbeantragung niederschlägt. Bauherrinnen und -herren müssen daher gerade im privaten Wohnbau eine Kosten-Nutzen-Analyse anstellen: Lohnen sich die Mehrkosten, weil sie durch die mögliche Förderung (also Zinsvergünstigung) überkompensiert werden? Keine triviale, aber eine machbare und wichtige Kalkulation. Die Süddeutsche Zeitung (Ausgabe vom 18.10.23) nennt ein Beispiel für die nächste, noch aufwändigere Förderstufe, basierend auf einer Berechnung von Interhyp: Angenommen, eine vierköpfige Familie kauft ein Haus mit Effizienzhausstandard KfW 40 und dem Qualitätssiegel „Nachhaltiges Gebäude“ für 500.000 EUR bei 50.000 EUR Eigenkapital und einer Tilgung von 1,5 %, so spart sich diese Familie bei einer Laufzeit von zehn Jahren 71.000 EUR allein an Zinsen (Bankkredit 230 TEUR, 4,05% Zinsen, KfW-Kredit 220 TEUR, 0,51% Zinsen). Die Investition kann sich also durchaus lohnen.

Bildnachweis Titelbild: Nadine Marfurt on unsplash